Rundbrief August 2017 - Das Märchen von der Finanzierungslücke
Im letzten Rundbrief mussten wir feststellen, dass im Land des Exportweltmeisters knapp der Hälfte aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Rentenalter die Grundsicherung (Sozialhilfe für Rentner) droht. Doch diese radikale Absenkung der Renten genügt heute manchen nicht mehr.
Wenn Sie überlegen, im September AFD zu wählen,
sollten Sie wissen, dass die AFD-Vorsitzende Frauke Petry vorhat, das Renteneintrittsalter auf 70 anzuheben und zu prüfen, ob das Rentenniveau noch weiter abgesenkt werden kann. Dabei ist sie durchaus in „bester“ Gesellschaft. Die Bundesbank tritt für eine Rente ab 69 ein, die Junge Union ab 70. Und auch der Shooting Star des Wirtschaftsflügels der CDU, der Finanzstaatssekretär Jens Spahn, will das Rentenniveau weiter absenken.
In welcher Welt leben diese Menschen?
In der heutigen Arbeitswelt voller Brüche in der Arbeitsbiographie und bei ständigem Leistungsdruck, kann von Glück sagen, wer auf 38 Rentenversicherungsjahre kommt. Wenn man dann wie der Durchschnitt mit 62 in Rente geht, weil es einfach nicht mehr geht, ist wegen des vorzeitigen Renteneintritts ein Verlust von 14,4% der Rente die Folge. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 2500 € brutto landet der Neurentner dann in der Sozialhilfe für Rentner – der Grundsicherung (die allerdings erst fließt, wenn all das sonstige Einkommen und Guthaben aufgebraucht ist). Wohin wollen Petry, Spahn u.a. denn die Renten noch absenken?
Sachzwänge einer alternden Gesellschaft?
Eines der Hauptargumente derer, die die Rente weiter absenken wollen, ist der demographische Wandel. Der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung wächst und damit auch der Anteil der Rentner.
Dieses Phänomen ist jedoch so alt wie die gesetzliche Rente. 1910 kamen in Deutschland auf einen über 65-Jährigen 10 Personen im erwerbsfähigen Alter. 1950 waren es noch 6 und 2010 nur noch 3. Und 2030 kommen voraussichtlich noch 2 Erwerbstätige auf einen Rentner. Der demographische Wandel ist längst im Gange und hat die Finanzierung der gesetzlichen Rente niemals getrübt.
Das Märchen von der Finanzierungslücke
Denn die Arbeitsproduktivität ist über die Jahre mit gewachsen und damit auch das Einkommen. So haben die 6 Erwerbstätigen, die 1950 für einen Rentner standen, zusammen weit weniger verdient und in die Rentenkasse eingezahlt als die 3 in 2010. Und voraussichtlich werden die 2 in 2030 ebenso mehr verdienen als die 3 in 2010. Die drohende demographische Finanzierungslücke ist eine allzu durchsichtigen Lüge.
Doch Vorsicht: Der Hauptangriff auf die Rente kommt aus der Lohnentwicklung
Die gesetzliche Rentenversicherung ist eine Umlagen Versicherung. Die gegenwärtigen Erwerbstätigen finanzieren die aktuellen Rentner. Da wird im Gegensatz zu der privaten Riesterrente nichts angespart, was bei der nächsten Krise wertlos werden kann. Die Höhe der Rente wird durch die jeweilige Lohnentwicklung bestimmt. Und wenn die wie in Vergangenheit meist steigt, wächst die gesetzliche Rente mit. So partizipierten die Rentner in Vergangenheit jeweils am steigenden Wohlstand. Und sie könnten das auch in Zukunft tun.
Von 2000 bis 2009 war die Lohnentwicklung allerdings in Deutschland rückläufig!
Dafür sei aber die Zahl der Beschäftigten in den letzten 15 Jahren um 3 Mio. gewachsen, verkündet Frau Merkel immer wieder voller Stolz. Ja, normalerweise wäre das gut für die Renten: 3 Mio. mehr Beitragszahler. Leider ist das aber eine Milchmädchenrechnung! Für die Rente zählen nur Beitragszahler. Und die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten ging im selben Zeitraum um fast 2 Mio. zurück. Gleichzeitig ist die Masse der prekär Beschäftigten um 2,2 Mio. angewachsen. Das sind schlechteste Nachrichten für die Renten!
Deshalb aufgepasst:
Wer uns die Lüge von der demographischen Finanzierungslücke auftischt, hat sicher vor allem eines im Auge: Die weitere Ausweitung aller Formen der nichttariflichen und prekär bezahlten Arbeit. Und dies wird die Finanzierung der gesetzlichen Rente mit Sicherheit gefährden.
Deshalb rufen wir auf: Helfen Sie mit, dass der Film „Der marktgerechte Mensch“ zustande kommt. Er wird helfen, unsere Solidarität zu stärken, damit wir nicht in Konkurrenz zueinander versinken, während Reiche immer reicher werden.