Der gläserne Mensch

Wir lernen Eleonore kennen, die  sich seit längerem überall bewirbt. „Bei einem Vorstellungsgespräch sprach mich der Personalchef auf meine Aktivitäten als Schulsprecherin und im Fachschaftsbeirat an der Uni an. Der hat sich alles aus dem Internet rausgeholt, was er über mich finden konnte, vor allem aus Facebook und StudiVZ.“

Heute informieren sich bereits 52% der Unternehmen vorab im Internet, um die Fähigkeiten von Ausbildungs- und Arbeitsplatzbewerbern einzuschätzen. Die Psychologen Sandra Matz und Michal Kosinksi von der Universität Cambridge haben ein statistisches Werkzeug entwickelt, das in der Lage ist, auf Grundlage der Facebook-Profile sogar ein Psychogramm der Nutzer zu entwerfen. Mit dem Tool "youarewhatyoulike" kann man mit ein paar Mausklicks einen Persönlichkeitstest vornehmen. Die Software durchscannt das gesamte Facebook-Profil: Bilder, Gefällt-mir-Angaben, Gruppen, Freunde. Algorithmen analysieren Likes und leiten aus den Vorlieben Charakterzüge ab. Big Data hilft Arbeitgebern beim Auswahlprozess. Aber auch allgemeine medizinische Untersuchungen vor den Bewerbungsgesprächen - inklusive Blutbild - sind immer mehr im Trend.

Professor Byung-Chul Han für Philosophie und Kulturwissenschaft an der Universität der Künste Berlin: „Früher standen Unternehmen miteinander in Konkurrenz. Innerhalb des Unternehmens war dagegen eine Solidarität möglich. Heute konkurriert jeder mit jedem und immer härter, auch innerhalb eines Unternehmens. Diese absolute Konkurrenz erhöht zwar die Produktivität enorm, aber sie zerstört Solidarität und Gemeinsinn.