Keimzellen des Gemeinwohls

Die Gemeinwohlbilanz ist das Herzstück der 2010 ins Leben gerufenen Bewegung der Gemeinwohlökonomie. Initiator ist der Österreicher Christian Felber, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sein Konzept trifft auf ein großes Bedürfnis: 2010 ergab eine Studie der Bertelsmann Stiftung, dass sich 88 Prozent aller Deutschen eine andere, gerechtere Wirtschaftsordnung wünschen.

Der Berliner Oberbaum-Kiez zwischen Spree und den S-Bahn-Gleisen ist ein Eldorado für internationale Immobilieninvestoren. Mittendrin der „Okto­berdruck“, eine Druckerei. Sie ist im Besitz der Belegschaft. Das Unternehmen orien­tiert sich am Gemeinwohl, achtet auf faire Arbeitsbedingungen und Gleichstellung. Das Konto wird bei einer Gemeinwohlbank geführt. Gedruckt wird mit leicht abbau­baren Biofarben auf Papieren mit höchsten Umweltstandards. Zudem gehört Oktoberdruck in Berlin zu den ersten Unternehmen, die eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen. Diese Bilanz misst nicht nur den erzielten Gewinn, sie erfasst auch Aspekte wie Reduktion negativer ökologischer Auswir­kungen und Arbeitsplatzqualität. Alle diese ökologischen und sozialen Faktoren werden dann bewertet, und ein Punktesystem zeigt an, wie groß der Einsatz für das Ge­meinwohl ist. Davon hängt ab, wie günstig die von der Gemeinwohlbank angebotenen Finanzierungsbedingungen sind.

Felbers Konzept des Gemeinwohls haben sich bereits hunderte Unternehmen verpflichtet. „Wir haben gerade erst erlebt, dass Wirtschaft ohne Ethik und Maß nicht funktio­niert". Dieser Satz stammt vom Chef der Sparda-Bank Helmut Lind. Auch er erstellt eine Gemeinwohl Bilanz und verweist dabei auf Artikel 151 der Bayrischen Verfassung, wonach die gesamte wirtschaft­liche Tätigkeit dem Gemeinwohl zu dienen hat. Und sogar der EU-Wirtschafts- und Sozialausschuss hofft in einer Stellungnahme vom 17. September 2015, „dass das Gemeinwohlmodell zu einem Wandel beitragen wird hin zu einem ,Europäischen Ethischen Markt`, der soziale Innovationen fördert, die Beschäftigungsrate steigert und sich positiv auf die Umwelt auswirkt".